Corona und Kartellrecht – Was Unternehmen während der Krise aus kartellrechtlicher Sicht beachten müssen

8. April 2020

(Stefan Höfling und Marianne Leikam)

Die angeordneten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen als Maßnahmen gegen den Corona-Virus treffen einzelne Unternehmen und die gesamte Wirtschaftswelt schwer. Zur Stärkung des eigenen Unternehmens, zum Erhalt der Rentabilität und von Arbeitsplätzen und teilweise auch zur Sicherstellung der Grundversorgung von Verbrauchern, sowie der sog. kritischen Infrastruktur, sind daher schnelle und pragmatische Maßnahmen unerlässlich. Dies mag manchmal z.B. nur in Kooperation mit anderen Unternehmen auf dem Markt sinnvoll und effektiv sein.

Krisenzeiten sind kein „Freifahrtschein“ – Uneingeschränkte Geltung von Kartellrecht

Doch auch in Krisenzeiten wie dieser gilt selbstverständlich, dass sich Marktteilnehmer an alle wettbewerbs- und kartellrechtlichen Regularien halten müssen. Sonst droht eine Sanktionierung durch die Wettbewerbsbehörden.

Allerdings kann mit dem geltenden Recht auf die aktuelle Krisensituation reagiert werden. Das Kartellrecht ist flexibel genug, um Sachverhalte aus gegebenem Anlass anders zu bewerten, als dies unter normalen Umständen der Fall wäre.

Hilfestellung in Krisenzeiten – gemeinsame Erklärung der Wettbewerbsbehörden

In diesem Zusammenhang haben daher die europäischen Wettbewerbsbehörden eine gemeinsame Erklärung zur Coronavirus-Krise abgegeben, in der sie auf einige wichtige Punkte im Zusammenhang mit der Krise und dem europäischen bzw. nationalen Kartellrecht hinweisen. Die Europäische Kommission hat zudem Informationen und Ansprechpartner insbesondere zum Thema Kooperationen von Unternehmen während der Krise auf ihrer Homepage veröffentlicht. Bei rein nationalem Bezug steht das Bundeskartellamt für Fragen zur Verfügung. Auf folgende Punkte haben die Wettbewerbsbehörden dabei allgemein hingewiesen:

Marktmachtmissbrauchsgefahr bei besonders nachgefragten Produkten

Besonders wichtig ist es natürlich weiterhin, dass Produkte zu Preisen zu erwerben sind, die im Rahmen eines funktionierenden Wettbewerbs zustande gekommen sind. Unternehmen, die eine bestimmte Machtposition auf dem Markt innehaben, dürfen diese selbstverständlich weiterhin nicht zur allgemeinen Preis- und Umsatzsteigerung ausnutzen. Dies gilt aktuell natürlich ganz besonders für Produkte zum Schutz der Gesundheit – auch außerhalb des Erwerbs im Rahmen der kritischen Infrastruktur.

Denkbar wäre hier, dass z.B. für bestimmte, stark nachgefragte Produkte, die unter eigener Marke hergestellt, exportiert o.Ä. werden, ggf. Höchstverkaufspreise festgelegt werden, um zu verhindern, dass auf einer nachgelagerten Marktstufe die Preise explodieren und den Ruf des Unternehmens oder dessen Marke o.Ä. schädigen. Eine solche Strategie wäre jedoch im Einzelfall auf deren Zulässigkeit zu prüfen. Lediglich vorsorglich weisen wir insoweit darauf hin, dass etwaige Mindestverkaufspreise oder ähnliche Praktiken, die mittelbar auf solche hinwirken, regelmäßig unzulässig sind.

Kooperationen

Ein weiterer Anreiz in einer Krisensituation ist das Eingehen etwaiger (temporärer) Kooperationen. Für Kooperationen zwischen Wettbewerbern gilt dabei einerseits, dass sie unter den aktuellen Umständen einerseits einfacher bzw. unkomplizierter möglich sind, sofern dadurch die Krisensituation abgefedert werden kann und sich dies im Ergebnis positiv für den Verbraucher auswirkt. Denkbar ist dies z.B. für Unternehmen, die im Bereich der Versorgung mit notwendigen, wichtigen Verbrauchsgütern, wie z.B. im Lebensmittelbereich, tätig sind. Andererseits sind weiterhin etwaige Kooperationen stets einer kritischen Würdigung im Einzelfall zu unterziehen. Keinesfalls sollten Kooperationen ungeprüft eigegangen werden, um zu vermeiden, dass diese über ein ggf. zulässiges Ziel hinausschießen.

Fazit

Auch wenn die Wettbewerbsbehörden in begrüßenswerter Weise schnell reagiert haben und den Unternehmen auch in diesen Krisenzeiten ihre Einschätzungen an die Hand gegeben haben, gilt weiterhin, dass jede Sachverhaltskonstellation auch zu Krisenzeiten eine Frage des Einzelfalls ist und sich pauschale Aussagen über die Zulässigkeit einer Maßnahme und/oder Handlung aus kartellrechtlicher Sicht verbieten. Ebenso und gerade deswegen haben die vorstehenden dargestellten Parameter, wie auch die Ausführungen der Behörden, keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzten daher keine individuelle Rechtsberatung. Für Ihre Fragen rund um das Thema stehen wir Ihnen daher jederzeit gerne zur Verfügung.