Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Kartellverstößen

1. August 2019

(Prof Dr. Claus Köhler und Stefan Höfling)

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 12. Juni 2018 (KZR 56/16 – Grauzementkartell II) entschieden, dass § 33 Abs. 5 GWB 2005, jetzt § 33 h Abs. 6 GWB, auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die ihre Grundlagen in Kartellverstößen haben, die vor Inkrafttreten der Norm am 1. Juli 2005 begangen wurden und die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren.

Eine Baustoffhändlerin hatte wegen Zahlung kartellbedingt überhöhter Kaufpreise für Zement Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Die beklagte Zementherstellerin hatte mit anderen Zementherstellern unter Verstoß gegen das Kartellrecht Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen. Das Bundeskartellamt erließ deshalb 2003 gegen die Beklagte und die weiteren am Kartell beteiligten Zementhersteller einen Bußgeldbescheid, der gegen die Beklagte 2013 rechtskräftig wurde.

Es war u.a. streitig, ob mögliche Schadensersatzansprüche verjährt waren, weil § 33 Abs. 5 GWB a.F. (heute § 33 h Abs. 6 GWB), der die Hemmung der Verjährung regelt, erst nach den Kartellverstößen der Beklagten, deren Schadensersatzansprüche jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren, in Kraft trat. § 33 Abs. 5 GWB a.F. regelt u.a., dass die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen des Verstoßes die Verjährung hemmt. Im konkreten Fall endete das Bußgeldverfahren erst mit rechtskräftigen Entscheidung im Jahr 2013. In letzter Instanz entschied der Bundesgerichtshof, dass die Norm auf vor deren Inkrafttreten begangene Kartellverstöße anwendbar ist, wenn daraus resultierende Schadensersatzansprüche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm noch nicht verjährt waren. Der Bundesgerichtshof bestätigte damit einen allgemeinen Rechtsgedanken, wonach bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung eines Anspruchs das neue Gesetz ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf zuvor bereits entstandene, zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung findet. Durch das Urteil des Bundesgerichtshofs wurde eine in Rechtsprechung und Literatur seit langem kontrovers diskutierte Frage entschieden. Das Urteil erlangt insbesondere auch Bedeutung für andere kartellrechtliche Sachverhalte.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt zudem auch Antworten auf andere wesentliche Fragen, wie die Annahme eines Anscheinsbeweises für einen Preisschirmeffekt (1) sowie der Verzinsung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach § 849 BGB vor der Einführung der speziellen Norm zur Verzinsung solcher Ansprüche auch zum 1. Juli 2005 (§ 33 Abs. 3 S. 4 GWB 2005, jetzt § 33a Abs. 4 GWB) (2). Der Bundesgerichtshof entschied Folgendes:

1. Bei einer hohen Marktabdeckung eines Kartells – im streitgegenständlichen Verfahren hatte das Kartell eine Marktabdeckung von 71,3% – spricht nach dem Bundesgerichtshof der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Kartell auch bei Nichtkartellanten, sog. Kartellaußenseitern zu Preiserhöhungen (sog. Umbrella Pricing) geführt habe.

2. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs sind kartellrechtliche Schadensersatzansprüche, die vor der Einführung der speziellen Norm zur Verzinsung solcher Ansprüche zum 1. Juli 2005 entstanden sind, in entsprechender Anwendung des § 849 BGB bereits ab dem Zeitpunkt zu verzinsen, in welchem der Schaden infolge der Zahlung kartellbedingt überhöhter Preise eingetreten ist.