Neue P2B-Verordnung – Effekte bei der gewerblichen Nutzung von Onlineplattformen

20. August 2020

(Stefan Höfling und Jonathan Meisse)

Seit dem 12. Juli 2020 gilt die europäische „Platform-to-business-Verordnung“ (VO (EU) 2019/1150). Ziel der sog. P2B-Verordnung ist, die Position gewerblicher Nutzer, also zumeist Onlinehändlern, gegenüber von ihnen genutzten Onlinediensten, über die direkt oder indirekt Transaktionen mit Verbrauchern vermittelt werden, also sog. Online-Vermittlungsdiensten (Onlineplattformen und -marktplätze, Buchungs- und Preisvergleichsportale, soziale Netzwerke etc.) sowie gegenüber Online-Suchmaschinen (im Folgenden zusammen „Plattformen“) zu stärken.

Hintergrund

Für den E-Commerce vieler gewerblicher Nutzer sind Plattformen heute existenzieller Geschäftsbestanteil und als Vertriebskanal nicht mehr wegzudenken. Die großen Plattformen befinden sich dabei gegenüber den Onlinehändlern oft in einer ungleich stärkeren Verhandlungsposition, womit potenziell die Gefahr der Stellung einseitiger Nutzungs- bzw. Vertragsbedingungen besteht. Auch die Funktionsweise der Plattformen ist für Onlinehändler oftmals nicht transparent; dies gilt insbesondere für das Zustandekommen sog. Rankings, also, wie prominent das Angebot des einzelnen Onlinehändlers auf einer Plattform in Erscheinung tritt. Ferner können Plattformen u.U. umfangreiche Daten über Transaktionen von Onlinehändlern sammeln und daraus, auch durch deren Zusammenführung, einen Nutzen ziehen. Denkbar ist z.B., dass Plattformen erfolgreiche Produkte von Onlinehändlern unter Verwendung des Informationsvorteils selbst anbieten oder durch Partnerunternehmen, an deren Umsatz sie besonders profitieren und deren Bevorzugung im Ranking ggf. erfolgt, anbieten lassen.

Wesentliche Regelungen der Verordnung

Um die Rechte der Onlinehändler in diesem Umfeld zu stärken, legt die P2B-Verordnung Plattformen nunmehr bestimmte Pflichten auf. Kurz zusammengefasst, handelt es sich um die folgenden Pflichten:

AGB müssen u.a. bestimmte Angaben, z.B. zu Gründen für eine Beendigung von Vermittlungsdiensten, zu zusätzlichen Vertriebskanälen oder Partnerprogrammen und zu Auswirkungen auf Rechte des geistigen Eigentums von Onlinehändlern, enthalten. Eine Beendigung der Vermittlungsdienste ist zudem an Fristen gebunden und unterliegt Transparenz- und Begründungspflichten. Der Zugang des Online-Vermittlungsdienstes zu personenbezogenen Daten, welche im Rahmen von Transaktionen verarbeitet und somit mit dem Online-Vermittlungsdienst geteilt werden, muss erläutert werden. Wenn Online-Vermittlungsdienste die Möglichkeit von Online-Händlern einschränken wollen, Waren und Dienstleistungen zu anderen Bedingungen auf anderem Wege anzubieten, müssen sie die wichtigsten wirtschaftlichen, geschäftlichen oder anderen Gründe dafür ebenfalls in den AGB angeben.

Plattformen müssen außerdem Onlinehändlern die wichtigsten Hauptparameter für ihr Ranking offenlegen und, ob und wie das Ranking z.B. gegen Entgelt beeinflusst werden kann. Behandeln Onlinevermittlungsdienste verschiedene Waren und Dienstleistungen unterschiedlich, müssen die Differenzierungskriterien offengelegt werden. Gleiches gilt für eine differenzierte Behandlung auf Suchmaschinen bzw. die über diese aufzufindenden Unternehmenswebsites von Onlinehändlern. Der Zugang einer Plattform zu geteilten personenbezogenen Daten sowie Dienste, Einstellungen oder Funktionen, die z.B. das Ranking oder den Zugang zu Waren und Dienstleistungen beeinflussen, sind darzustellen.

Überdies müssen Onlinevermittlungsdienste verpflichtend ein internes Beschwerdemanagementsystem einrichten und für Streitfälle unabhängige Mediatoren benennen.

Konsequenzen

Wie vorstehende Pflichten aus der P2B-Verordnung rechtlich und tatsächlich umzusetzen sind, ist nicht immer im Einzelnen geregelt. In welchem Umfang die Verordnung, z.B. mit Blick auf die u.a. stark auslegungsbedürftigen Regelungen, im Ergebnis die beabsichtigte Wirkung erzielt, bleibt daher abzuwarten. Das wird auch davon abhängen, welche Sanktionen die nationalen Gesetzgeber bei Verstößen vorsehen und ob Verstöße rechtssicher festgestellt werden können.

Plattformbetreiber sollten zumindest spätestens jetzt die rechtlichen Rahmenbedingungen und tatsächlichen Verhaltensweisen einer genauen Überprüfung unterziehen, um etwaigen Anpassungsbedarf, wie z.B. die Errichtung sog. „Chinese Walls“ zwischen verschiedenen Unternehmensteilen oder erforderliche Anpassungen an AGB zu ermitteln.

Onlinehändler sollten die P2B-Verordnung zum Anlass nehmen, ihre Beziehungen zu Plattformen zu analysieren und prüfen, ob sie aufgrund der Verordnung u.U. vertragliche und/oder tatsächliche Verbesserungen, z.B. für die Sichtbarkeit ihres Angebots oder für ihr Ranking erreichen können. Sollte es Anzeichen für Verstöße geben, stellt sich die Frage nach der Rechtsdurchsetzung. Eine solche Prüfung bietet sich im Rahmen einer Überprüfung der „digitalen Compliance“ an, die ggf. im Zuge jüngerer Entwicklungen vorgenommen wird; vgl. dazu auch unsere aktuellen Beiträge vom 23. Juli 2020 „Europäischer Gerichtshof kippt „Privacy Shield“ – Was nun?“ und vom 30. Juli 2020 „Transformationsschub infolge der Covid-19-Krise – „Update“ der digitalen Compliance im Unternehmen“.

Die individuelle sowohl rechtliche wie auch tatsächliche Prüfung und Einschätzung und ggf. zu ergreifende Maßnahmen bedürfen dabei, insbesondere angesichts der für die Umsetzung relativ offenen Formulierungen der P2B-Verordnung, jeweils einer tatsächlichen und rechtlichen Würdigung im Einzelfall. Die vorstehend dargestellten Parameter haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzen keine individuelle Rechtsberatung. Für Ihre Fragen rund um das Thema stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.