Kartellschadensersatz – Bundesgerichtshof bestätigt pauschalierende Schadensersatzklauseln in AGB

18. Mai 2021

(Claus Köhler und Stefan Höfling)

In brandneuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Kartellschadensersatz im „Schienenkartell VI“, Urteil vom 10. Februar 2021, Az. KZR 63/18, veröffentlicht am 30. April 2021, geht es um die Zulässigkeit sog. pauschalierter Schadensersatzklauseln bei Kartellschäden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB“).

Kartellschadensersatz in der Praxis

Kartellschadensersatz als Geschädigter erfolgreich geltend zu machen, also Ansprüche auf Schadensersatz aus Geschäftsbeziehungen mit an kartellrechtswidrigem Verhalten, z.B. Kartellen, beteiligten Unternehmen zu identifizieren und durchzusetzen, gewinnt in der Praxis immer mehr an Bedeutung. Es handelt sich, neben der Vermeidung von Kartellrechtsverstößen im eigenen Unternehmen, letztlich auch um ein eigenes Compliance Thema (vgl. hierzu auch unseren Fachartikel in comply. 4/2018). Die in den letzten Jahren immer weiter entwickelte Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Kartellschadensersatz basiert auf Europäischem Recht.

Bei der Identifikation, Analyse und Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen ist dabei oftmals einer der Hauptstreitpunkte nicht der Kartellverstoß – dieser wird regelmäßig von den Kartellbehörden bindend festgestellt – an sich. Die Parteien streiten sich vielmehr über die konkrete Höhe des durch das Kartell verursachten Schadens, der im Sinne der Differenz des tatsächlich bezahlten Preises mit dem hypothetischen Preis (ohne Kartell) ermittelt werden muss, was zu Problemen bei der Rechtsdurchsetzung führen kann.

Pauschalierende Schadensersatzklauseln in AGB

Das neue Urteil des Bundesgerichtshofs bestätigt und vereinfacht die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch deren Geltendmachung im Wege der Pauschalierung zumindest in Höhe eines gewöhnlichen Mindestschadens. Mit dem Vertragspartner – bei Vertragsabschluss ist nicht bekannt, ob der Vertragspartner an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt ist oder sein wird, die zu einer Schädigung des Unternehmens durch einen über dem hypothetischen Wettbewerbspreis liegenden Kartellpreises führen – wird insoweit für den Fall des Nachweises eines Kartellverstoßes ein Kartellschadensersatzanspruch durch eine den Schaden pauschalierende Klausel in AGB vereinbart. Es geht dabei um die Betroffenheit von kartellrechtswidrigem Verhalten sowohl auf Einkaufsmärkten als auch Verkaufsmärkten, also sowohl der vorgelagerten als auch nachgelagerten Marktstufe. Wenn ein Lieferant oder Kunde an einem kartellrechtswidrigen Verhalten beteiligt war, ist an das Unternehmen, das eine solche Klausel verwendet aufgrund der AGB-Klausel pauschalierter Schadensersatz zu leisten, wenn und soweit der Lieferant oder Kunde nicht einen niedrigeren Schaden positiv nachweist.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat eine solche Klausel nun erstmals im Rahmen der Vergabe von Aufträgen konkret für zulässig erklärt. Nach einer sorgfältigen Abwägung eventueller Branchenspezifika und dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nach der aktuellen ökonomischen Wissenschaft dürfte eine Pauschalierung des Schadens in AGB gegenwärtig in Höhe von 5% bis ggf. zu 15% zulässig sein. Höhere Schäden können natürlich auch – unabhängig von einer solchen Klausel in den eigenen AGB – wie bisher nachgewiesen werden, wenn die AGB-Klausel nicht den Schadensersatz deckelt. Es bedarf für eine wirksame Implementierung einer solchen Klausel in den eigenen AGB einer Abwägung und Formulierung einer solchen Klausel anhand der konkreten Interessenlage und des Marktumfeldes des einzelnen Unternehmens, um diese auch im Lichte des neuen Urteils des Bundesgerichtshofs möglichst unangreifbar zu gestalten.

Ausblick

Die Chancen, aus einer solchen AGB-Klausel im Falle einer Schädigung durch wettbewerbswidriges Verhalten mit geringerem Aufwand Kompensation für das kartellrechtswidrige Verhalten von Vertragspartnern zu erhalten, sind nach dem höchstrichterlichen Urteil des Bundesgerichtshofs erheblich gestiegen. Wenn eine Klausel von einem Gericht für unwirksam gehalten würde, erschöpft sich das „Risiko“ darin, dass der Nachweis des Schadensersatzes auf dem „herkömmlichen“ Weg zu erfolgen hat.

Die individuelle sowohl rechtliche wie auch tatsächliche Prüfung und Einschätzung sowie die Umsetzung bedürfen dabei, insbesondere angesichts des individuellen Marktumfeldes eines Unternehmens, jeweils einer tatsächlichen und rechtlichen Würdigung im Einzelfall. Die vorstehend dargestellten Parameter haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzen keine individuelle Rechtsberatung. Für Ihre Fragen rund um das Thema, insbesondere im Zusammenhang mit der Implementierung und Formulierung einer AGB-Klausel, mittels derer der Kartellschadensersatz pauschaliert wird, stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.