Compliance zwischen Notwendigkeit und Machbarkeit

1. August 2019

“Ganz egal, ob Herr Dr. Winterkorn davon wusste oder nicht, der damalige Vorstandsvorsitzende von VW hat möglicherweise die Pflicht verletzt, Strukturen zu schaffen, die erforderlich gewesen wären, um zu verhindern, dass die Manipulationen bei der Abgas-Behandlung nicht passieren”, erläuterte Prof. Dr. Claus Köhler bei seinem Vortrag “Compliance in der Unternehmenspraxis” vor ehemaligen DAAD-Stipendiaten.

MEISTERRECHTSANWÄLTE war im Februar 2018 Gastgeber eines Events des DAAD-Freundeskreises zum Thema Compliance.

Prof. Dr. Claus Köhler betonte hier besonders den nachhaltigen Charakter des Compliance-Gedankens für die Rechtspflege.

Anders als noch vor zehn oder zwanzig Jahren sei derjenige, der Recht verletze und ethische Verhaltens-Kodizes missachte, nicht mehr automatisch im Vorteil, meinte Prof. Köhler. Vielmehr zeige die Etablierung von Compliance-Abteilungen in den Unternehmen Wirkung. So sei es mittlerweile in bestimmten rechtlichen Kontexten schon zu Verurteilungen von Compliance-Verantwortlichen gekommen, in einem Fall in Berlin zum Beispiel wegen Beihilfe zur Untreue. Grundsätzlich müsse Compliance natürlich immer in Bezug auf ein oder mehrere Rechtsgebiete gesehen werden und darüber hinaus – wenn es um die Verantwortung von Unternehmen als juristische Personen geht – auch immer in Zusammenhang mit dem Ordnungswidrigkeiten-Gesetz.

Harald Hess, LL.M. wies darauf hin, dass in den Zentralen einiger großer deutscher Unternehmen von US-Behörden eingesetzte Monitore dafür sorgen, dass ein effizientes Compliance-System aufgebaut wird und frühere Verfehlungen sich nicht wiederholen. Er gab in der Diskussion zu bedenken, ob das Ordnungswidrigkeiten-Gesetz in vielen Fällen nicht zu stumpf sei und ob nicht auch in Deutschland wie in einigen anderen Ländern ein Unternehmens-Strafrecht etabliert werden müsse. Die letztere Frage konnte an diesem Abend nur angerissen werden.

Anhand zweier Fallbeispiele erläuterten die Anwälte den DAAD-Alumni – mehrheitlich Nicht-Juristen – wie der Compliance-Gedanke Rechtskultur und Rechtssicherheit fördern kann. Prof. Dr. Claus Köhler zeigte an dem Fall eines europaweit agierenden Unternehmens, wie man Transport-Sicherheitsvorschriften auch in einem schwierigen Praxis-Umfeld “vorschriften- und gesetzestreu” umsetzt. Und Stefan Höfling diskutierte am Beispiel eines Gebietskartells die Compliance-Frage aus Sicht der jeweiligen Geschäftsführungen und von an verschiedenen Standorten ansässigen Kunden.

Fazit der Anwälte: “Compliance ist unverzichtbar und ein Unternehmenswert an sich, aber sie muss an die Struktur des Unternehmens angepasst, also verhältnismäßig, effektiv und zielführend sein.”